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Stark sein - oder: mittendrin in Sankt Augustin

Heute nun war es so weit:  Der seit Monaten terminierte dreitägige Skoliosecheck in der Kinderklinik in Sankt Augustin hat begonnen. Am Donnerstag werden die Untersuchungen der verschiedenen Fachrichtungen abgeschlossen sein und der Chefarzt wird uns in einem abschließenden Gespräch auf Grundlage der Untersuchungsergebnisse über die Möglichkeiten einer Rückenoperation aufklären.

Heute Morgen hatte Henri als erstes eine Blutentnahme - wie schon vor 3 Wochen, als ihm im Rahmen des MRTs in Homburg Blut abgenommen wurde, war Henri so tapfer, wie man es augenscheinlich nur mit 16 sein kann. Schon zweimal durften wir nun Blutentnahmen erleben, bei denen Henri nicht (wie üblich von bis zu vier Helferinnen) festgehalten werden musste und auch nicht geschrien hat. Wie früher schon habe ich gezählt - neu ist die Strategie, dass er mir dabei in die Augen sieht. Kurz bevor die Nadel eindringt, beginne ich zu zählen - nachdem ich ihm zuvor die Zusage gegeben habe, dass das Schlimmste bei spätestens Fünf überstanden ist. Er hat es so toll gemacht und natürlich habe ich auf seine Frage Mama, Lob? mit einem großen JA! geantwortet und einer Gratulation geantwortet ... im Anschluss hat dann auch der Arzt gratuliert ;-).

Nach diesem Einstieg in den Untersuchungsmarathon gab es noch weitere Situationen, in denen Henri mit großer Disziplin und Duldsamkeit überzeugt hat. Diese Duldsamkeit überrascht und irritiert mich immer wieder. Oft ist er ganz still und ein Blickkontakt ist ihm unangenehm. Er lächelt mich an, als sei es seine Pflicht und dreht dann den Kopf weg. Manchmal wünschte ich, er würde schreien, sich laut beklagen oder auch nur weinen. Und ich frage mich, wie es ihm wohl geht - tief drinnen. Ob er sich wohl fragt, warum gerade ich? ... Frag ihn doch, sagt jetzt vielleicht jemand. Ich habe ihn oft gefragt, mit Worten, aber auch mit Blicken, die genauso gut fragen können. 

Heute Nacht schläft er allein in seinem Zimmer - voller Vertrauen, dass wir morgen schon vor dem Frühstück wieder bei ihm sind. Das Anlegen von Messsonden hat er gerade genauso geduldig über sich ergehen lassen wie alles andere, was ihm heute begegnet ist. 

In der letzten Woche habe ich gleich von mehreren lieben Menschen Zuspruch bekommen - zuletzt heute von einer Mutter, die den Blog vor der Herz-OP ihres Sohnes entdeckt hat. Alle sagen das Gleiche: Kämpfe weiter für dein Kind - die einen beziehen es auf Henris Recht auf Bildung, andere auf das Medizinisch/Körperliche. Im Alltag erlebe ich selbst es oft nicht als Kampf, aber es gibt Momente - und so einer ist heute Abend - wo mir bewusst wird, dass meine Anstrengungen tatsächlich viel von einem Kampf haben. Es kostet viel Kraft und braucht Stärke, durchzuhalten und weiterzumachen - immer wieder neu. Danke an euch, die ihr Henri und uns begleitet - mit kleinen und großen Gesten. Es bedeutet mir so viel.

 

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Kommentare: 4
  • #1

    Cornelia (Mittwoch, 12 September 2018 23:17)

    Es ist wirklich beeindruckend, wie gut Henri bisher mitgemacht hat. Habt ihr viel mit ihm im Vorfeld über die Untersuchungen geredet? Das mit der Gratulation werde ich bei der nächsten Blutabnahme bei meiner Tochter auch ausprobieren. Ob sie in der Lage sein wird, das Zählen als Hilfe wahrzunehmen, weiß ich nicht, sie gerät immer ganz außer sich und muss auch festgehalten werden. Aber euer Bericht macht Mut, über neue Ideen nachzudenken und sie auszuprobieren.Und das, dass man Fragen stellt, aber keine Antwort bekommt, kennen wir auch sehr gut...
    Ich wünsche euch alles Gute für den weiteren Verlauf des Klinikaufenthalts, weiterhin viel Kraft und Mut und die richtige medizinische Hilfe...
    Cornelia

  • #2

    henri-mittendrin (Donnerstag, 13 September 2018 09:00)

    Hallo Cornelia, wir reden vor jedem Arzt- und Klinikbesuch mit ihm - jedoch mit ganz anderem Schwerpunkt als ich es mit meinen nicht behinderten Kinder tun würde. Ich bereite ihn vor, dass es weh tun wird, aber nicht lange. Das Zählen hilft ihm und uns schon seit Jahren, denn es macht einen Eingriff überschaubar. Wenn es um OPs geht und er ängstlich nach Infusionen oder „weh?“ fragt, antwortet ich ihm immer mit einem „ja, aber...“: „Ja, es tut weh, aber dann wird es bald besser. / Ja, du hast viele Infusionen, aber am nächsten Tag sind es schon weniger und wenn alle weg sind, fahren wir nach Hause.“ Am Ende meiner Antworten steht immer Normalität oder etwas, worauf er sich freut. Vermutlich fragt er deshalb so oft „und dann....?“. Für Henri ist es wichtig, dass am Ende der Danns etwas Schönes steht, etwas, worauf er sich freuen kann. Wie alt ist denn deine Tochter, hat sie auch eine Behinderung? Danke für deine guten Wünsche, wir sind gerade voll mit dem stark erhöhten Gamma-GT beschäftigt. Mit einem solchen Wert wäre eine OP ein unkalkulierbarkeit Risiko - haben wir gerade gehört.

  • #3

    Cornelia (Donnerstag, 13 September 2018 18:04)

    Vielen Dank für deine Antwort. Sehr aufmerksam habe ich euren weiteren Bericht gelesen und hoffe sehr für euch, dass eurem Sohn geholfen werden kann ohne Komplikationen.
    Unsere Tochter ist 26 und hat auch das Down Syndrom. Dazu Autismus und eine Beckenverwringung, sowie ein paar zusätzliche Probleme, die nicht immer auftreten.
    Konnte man die Ursache für den erhöhten Gamma-GT Wert herausfinden?
    Vielen Dank für's Teilhabenlassen! Weiterhin viel Durchhaltekraft und Zuversicht!

    Cornelia


    Cornelia

  • #4

    Good (Mittwoch, 19 September 2018 22:43)

    Liebe Doris,
    heute konnte ich mich bei " Henri mittendrin "über die neuesten Nachrichten von Henri `s Gesundheuítszustand informieren. Natürlich bin ich wieder einmal geschockt!!!!--hat Henri nicht schon genug mitgemacht?????!ch war immer mit meinen Gedanken bei Henri und bei euch , Doris, Dirk, Marie, und Amelie, ich habe mit euch gezittert und mit euch gehofft, dass Henri die schweren Operationen gut übersteht !!! Henri ist ein tapferer, großer Kämpfer, er widr von seiner ganzen Familie unterstützt und ich hoffe, dass Henri auch die schwere bevorstehende Wirbelsäulen - Op gut verkraftet und als grosser Kämpfer, mit eurer liebenvoller Unterstützung, ohne Komplikationen wieder aus dem Krankenhaus entlassen wird und ein gesunder. fröhlicher Henri in eurer Familie weiterhin mit Normalität, Zuversicht und viel, viel, viel Liebe leben darf.
    Ich wünsche euch allen viel Geduld und Kraft , Hilfe und gute Raschläge und Unterstützuung von kompetenten Fachärzte und für Henri alles erdenklich Gute , für die Operation viel, viel Erfolg.
    Ich bin mit guten Gedanken bei euch !!!
    Good