· 

Das war's dann wohl mit der Inklusion ...

... könnte (!) man jetzt sagen.

Seit Samstag haben wir es schriftlich: Henri wird ab dem kommenden Schuljahr die Förderschule für körperliche Entwicklung besuchen. Die Aufnahmekriterien  erfüllt er aufgrund seines komplexen Herzfehlers und des ausgeprägten Morbus Scheuermann. Da ist einerseits Wehmut - andererseits aber auch Hoffnung und Vorfreude, dass die neue Schule Henris Bedürfnissen besser gerecht wird. Für diejenigen, die vielleicht neu hier sind und sich fragen, warum wir diesen (Rück?-)Schritt an die Förderschule getan haben. Ein Grund war, dass Henris schulische Förderung an der Waldorfschule drei Jahre lang fast ausschließlich auf Malen und Basteln beschränkt war - die sogenannten Basalsinne sollten gefördert werden. Und natürlich wollte man ihn auch nicht überfordern (...). Den in den seltenen sogenannten Förderausschüssen  formulierten Begründungen, warum Henri im Förderunterricht nicht lesen und schreiben lernen durfte, haben wir regelmäßig widersprochen. Für die Umsetzung der Förderung der Kulturtechniken war fast ausschließlich Angela, Henri  Eingliederungshilfe,  zuständig und ich bin wirklich dankbar, dass sie die von mir erstellten Förderpläne im Rahmen des regulären Unterrichts so zuverlässig umgesetzt hat. In einem dicken Schwarzen Buch war und ist bis heute festgehalten, was Henri gelernt hat und welche Lerninhalte als Nächstes anstehen. 

Ein ebenso wichtiger Beweggrund für den Schulwechsel war Henris soziale Stellung in der Schule - als einziges Kind mit geistiger Behinderung hatte er eine Einzelstellung, die ganz oft auch rein äußerlich zu erkennen war. Zum Beispiel, wenn er allein auf dem Pausenhof stand. Auch wenn ich es schon oft geschrieben habe: Henri wurde von fast allen Kindern mit Respekt und Wertschätzung behandelt. Sie waren ihm wohlgesonnen und wenn er Unterstützung brauchte, fand er immer jemanden, der ihm half. Aber: Er hatte keine Freunde, das war zuletzt fast täglich Thema. Einladungen zu einem Kindergeburtstag kann man in diesen drei Jahren locker an einer Hand abzählen. Je älter er wurde, umso unterschiedlicher wurden auch die Lebenswelten und Interessen. Dass keines der Kinder ihn als Freund haben wollte, schmerzt und ist doch allzu verständlich. Zwischen Michel aus Lönneberga und Fack ju Göhte, Teil 3  liegen Welten.

Waren die letzten drei Jahre denn tatsächlich Inklusion? Wenn ja, woran würde man diesen Begriff festmachen? Wenn es an einer Schule ein einziges Kind mit geistiger Behinderung gibt und die Aufnahme weiterer behinderter Kinder für zu schwierig erachtet wird - ist das Inklusion? Ich denke nein - auch dann nicht, wenn sie sich (warum auch immer) Projektschule Inklusion nennt. 

Inklusion wird oft mit Teilhabe in Verbindung verbracht - Teilhabe ist, was ich mir für Henri wünsche. Henri mittendrin und nicht nebendran ... Und wenn es an der Regelschule nicht möglich ist - dann doch lieber  an der Förderschule als gar nicht. 

 

31. Mai 2018

Wie fast immer gehen wir auch an diesem Sonntag wandern. Keine halbe Stunde zuvor hat sich Henri mit trauriger Miene hingesetzt und nach einem Foto gefragt, das er dann seiner Lieblingscousine schicken wollte. Nun hat er  sich wieder etwas gefangen, aber das Thema beste Freunde lässt ihn nicht los. 

 

31. Mai 2018

Diese Selbstauslöser-Fotos sorgen doch immer wieder für Belustigung :-).

 

9. Juni 2018

Erstes Sommerfest an Henris neuer Schule. Henri, der im vergangenen Monat drei Tage hospitiert hat, wird überaus herzlich aufgenommen. Und als er uns im Schulgarten die Tomaten zeigt, die er gesetzt hat, danach seine Klasse und sich auf seinen Platz setzt, wird mir warm ums Herz. 

 

10. Juni 2018

Wieder sind wir im Wald unterwegs und Henri gebärdet sich ziemlich cool ;-). Zu Hause hat er seine Brille heimlich gegen die Sonnenbrille ausgetauscht 😎.

Kommentar schreiben

Kommentare: 13
  • #1

    Elias (Montag, 18 Juni 2018 12:39)

    Lieber Henri und liebe Mama!
    Ich schaue mittlerweile fast täglich in den Blog.
    Es ist schön in Heidelberg auf diese Weise ein wenig von dem zu hören was sich in Henris Leben momentan bewegt und was ihn bewegt.
    Ich finde der Text bringt es sehr gut auf den Punkt!

    Ganz liebe Grüße aus Heidelberg und bis Freitag :)
    Elias

  • #2

    henri-mittendrin (Dienstag, 19 Juni 2018 15:57)

    Lieber Elias, danke für deine Grüße und den lieben Kommentar <3! Ich freue mich, dass du auch über diesen Blog miterlebst, was mich und uns hier gerade bewegt. Dass der Blogeintrag davor schon über 4 Wochen alt ist, liegt einerseits an der streckenweise sehr aufgewühlten Situation zu Hause - wenn gleich zwei Kinder die Schule wechseln, ist der Energieaufwand nochmals höher als im ganz gewöhnlichen Alltag. Andererseits wollte ich vom Schulwechsel erst berichten, wenn er tatsächlich auch vom Ministerium genehmigt und sozusagen in trockenen Tüchern ist. Auch bei Amelie gibt es immer noch keine spruchreife Entscheidung. Sicher ist jedoch, dass wir uns nach über 20 Jahren als Familie von der Waldorfschule verabschieden - nicht jedoch von der Pädagogik!

  • #3

    Laila Hilgert (Mittwoch, 04 Juli 2018 09:37)

    Hallo , ich habe mit großer Freude , euren Blog gelesen!!
    Unser Emil wird im nächsten Jahr in eine Förderschule ( siegmund crämer Schule Bad Dürkheim) gehen.
    Genau aus diesem Grund ....
    Viele lieben Grüße,
    Laila

  • #4

    Sarah (Mittwoch, 11 Juli 2018 07:33)

    Wie schön, dass ihr endlich eine Schule gefunden habt, wo Henri gefördert wird und sich wohlfühlen! Ich drücke euch die Daumen, dass es ab Schuljahresbeginn genauso positiv weitergeht wie die ersten Test-Tage - und dass Henri vielleicht sogar endlich den langersehnten „besten Freund“ findet!

  • #5

    henri-mittendrin (Sonntag, 15 Juli 2018 21:20)

    Danke Sarah fürs Daumendrücken! Wenn man alle Aspekte berücksichtigt und Henris Wohlbefinden dabei auf jeden Fall oberste Priorität hat, scheint die Förderschule alternativlos zu sein und es ist beruhigend, von allen Seiten so viel Positives über diese Schule zu hören. Wir sind schon gespannt auf die ersten Tage und was Henri berichten wird. (Und wenn du mir irgendwann mal schreiben magst , wie du auf unsere Seite gekommen bist - gerne via PN über Kontakt - , freue ich mich :-)

  • #6

    henri-mittendrin (Sonntag, 15 Juli 2018 21:23)

    Liebe Laila,
    da wohnt ihr ja gar nicht so weit weg von uns. Wird Emil im nächsten Jahr in die erste Klasse der Förderschule eingeschult? LG in die nahe Pfalz :-)

  • #7

    Steffi (Montag, 23 Juli 2018 21:22)

    Nicht traurig sein... Ihr habt alles getan, um Henry den Besuch an einer "normalen" Schule zu ermöglichen und habt ihn nach allen Kräften gefördert. Somit konnte er sich gut entwickeln und hat sehr viel erreicht: und das ist nur euch und euerem Engagement zu verdanken!
    Leider steckt die Inklusion bei uns, was die Schulen anbelangt, noch in den Kinderschuhen und wird nicht als Selbstverständlichkeit angesehen.
    Henry wird sich an seiner neuen Schule sehr wohl fühlen. Er ist unter Gleichgesinnten und wird sicherlich viele Freunde finden. Er wird glücklich sein und Freude am Lernen haben - und das ist das Wichtigste!

  • #8

    henri-mittendrin (Montag, 23 Juli 2018 21:54)

    Danke, Steffi, für deine aufmunternden Worte! Ich kann sie gut gebrauchen! Henri durchlebt gerade eine sehr
    schwere Zeit und leidet richtig ... und ich mit ihm... Gerade heute Abend hat er wieder geschluchzt beim Zubettgehen - "Ich will Freund sein!" sind immer seine Worte für sein Bedürfnis nach Nähe - wir als Familie können ihm das, wonach er sich gerade so sehr sehnt, leider nicht bieten. Ich hoffe wie du, dass ihm die neue Schule mit neuen Kontakten gut tun wird und er sein Lachen zurückbekommt.

  • #9

    Steffi (Montag, 23 Juli 2018 22:17)

    Armer Henri :( Ich kann ihn so gut verstehen.
    Er wird in seiner neuen Schule sehr schnell Freunde finden, da bin ich mir ganz sicher.
    Knapp 2 Wochen muss er noch durchhalten, dann sind die Ferien vorbei und ein neuer
    Lebensabschnitt beginnt. Vielleicht besteht die Möglichkeit über das Sekreteriat in der
    Schule zu erfahren welche Kinder in Henry´s Klasse sind/sein werden. Vielleicht lässt
    sich hierüber schon mal ein Treffen mit eines der Kinder arrangieren.

  • #10

    Elisabeth (Mittwoch, 01 August 2018 09:25)

    Ich wünsche Euch von Herzen alles Gute für den neuen Weg.
    Ich denk auch, dass es gut wird, dass Ihr es schafft offen für Alles zu sein. Ihr tut das ja für Euren Henri

    Ich hab kein Blog mehr. Erst das ganze Datenzeugs, dann ein Absturz, und nun komm ich nicht mehr rein ins eigene Blog.
    Keine Ahnung ob ich irgendwann neu durchstarte, momentan lass ich es so wie es ist und hoffe, ich darf trotzdem bei Euch immeerwieder vorbeischauen
    liebe Grüsse
    Elisabeth, die die Fotos ganz toll findet

  • #11

    henri-mittendrin (Freitag, 03 August 2018 01:52)

    Liebe Elisabeth, ich freue mich, dass du wieder hier vorbeischaust! Ich habe regelmäßig versucht, deinen Blog aufzurufen und immer heißt es, ich hätte "keine Berechtigung". Ich hätte dich gerne angeschrieben, habe aber keine Adresse. Bitte sag mir doch Bescheid, wenn dein Blog wieder online ist - ich freue mich, wieder von euch zu lesen. Liebe Grüße!

  • #12

    Uta Metzing (Mittwoch, 12 September 2018 17:28)

    Lieber Henri,
    wir wünschen dir, wenn du in der neuen Schule bist, auch ganz viel Spaß bei deinen neuen Physiotherapeuten. Wir sind schon ein bißchen traurig, dass du nicht bei bei uns zum Turnen sein kannst. Aber so ist es viel einfacher und vor allem für deine Eltern eine große Entlastung!
    Es hat so viel Spaß gemacht mit dir :-) Du wirst uns fehlen.
    Alles Liebe für dich,
    von Uta und Nadja

  • #13

    henri-mittendrin (Donnerstag, 13 September 2018 09:45)

    Liebe Frau Metzing, danke für Ihre Nachricht - die regelmäßigen Besuche in Ihrer Praxis gehörten über Jahre zu unserem Alltagsgeschäft und Henri ist immer gern gekommen. Sie und Nadja werden uns auch fehlen! Wie Sie schon schreiben, ist es für uns und Henri tatsächlich eine große Entlastung, dass er seine Physiotherapie künftig im Rahmen eines Schultags haben wird und wir einen Nachmittagstermin weniger haben. Danke für Ihre liebevolle und engagierte Arbeit und herzliche Grüße, auch im Namen von Henri