Schon die ganze Woche verneige ich mich innerlich immer wieder vor unserem kleinen Mann und bewundere, mit wie viel Disziplin und Ausdauer er mit den alltäglichen Herausforderungen umgeht. Zweimal pro Woche Schwimmtraining ist aufgrund des Morbus Scheuermann kein Luxus, sondern notwendig und mit der Physiotherapie verhält es sich ebenso. Klavierunterricht ist zwar nicht notwendig - aber er spielt gerne und übt fast jeden Tag (natürlich mit mir). Und dann gibt es ja auch noch die "Hausaufgaben", also das konsequente und Lernen und Üben von Schreiben und Lesen. Dazwischen macht er sein geliebtes Fahnenstehen oder baut , wenn -wie heute- kein richtiger Fahnenwind ist, an seiner Kugelbahn. Und seit Weihnachten darf er er auf seinem neuen Handy auch Michel aus Lönneberga sehen. Das Schreiben mochte er bisher weniger, lieber googelte er nach Michel oder Mond.
Diese Woche war besonders anstrengend, denn zu den üblichen Terminen, waren wir auch noch zu mehreren Terminen in Sachen Korsett unterwegs. Unsere alltägliches Hin und Her ist in dieser Woche noch enger getaktet als sonst.
Nachdem Henri heute Klavier geübt hatte und direkt danach Kugelbahn bauen durfte, habe ich ihn zu den Hausaufgaben gerufen. Dieses Mal war es eine Hausaufgabe im eigentlichen Sinne. Die siebte Klasse hat gerade Geografie-Epoche und Henris Klassenlehrer hat für Henri ein eigenes Aufgabenblatt erstellt. Darin geht es um Lage- und Wegbeschreibungen, aber auch um Mond- und Sonnenstand. Wir entschieden uns für das Thema Schulweg und Henri begann mit meiner Unterstützung in sein Heft zu schreiben, wie er jeden Tag in die Schule kommt. Nach zwei Sätzen kam dieses Willnich, über das ich mich oft genug hinwegsetze, aber heute konnte ich es nicht. Ich habe ihn entlassen - er hatte sich wirklich Ruhe verdient! Er legte sich dann erst einmal aufs Sofa, nahm sein Handy und googelte "Blumen" und Frühling" (er spricht beim Googeln die einzelnen Buchstaben immer laut vor sich hin, deshalb weiß ich das ;-). Schon seit dem Schwarzwald fragt er fast täglich, wann der Frühling kommt und es hat mich heute so gerührt, ganz nah mitzuerleben, wonach er sich gerade sehnt. Danach ist er in sein Zimmer gegangen, hat mich zwischendrin nach Farbkarton gefragt und hat zu malen und zu basteln begonnen. Am Schreibtisch hörte ich den Eingang einer WhatsApp-Nachricht. Was war das für eine Freude, als ich sah, wer sie mir geschickt hatte. Gleichzeitig hörte ich Henri oben immer wieder laut machen... Ich schrieb ihm zurück und dann kingelte auch schon das Telefon... Henri war dran :-) Was für andere Mütter selbstverständlich oder vielleicht sogar nervig ist, bescherte mir heute die glücklichsten Momente der Woche. Noch nie hatte er mir eine Nachricht geschrieben und heute ganz aus sich und ohne, dass ihn jemand aufgefordert hätte. Er bestellte mich in sein Zimmer und zeigte mir ein Bild, das er für mich gemalt hatte: Ein Frühlingsbild mit Blumen, Bienen und einem blauen Himmel, sorgfältig mit Farbkarton beklebt. Er strahlte über das ganze Gesicht als er in perfektem Deutsch sagte: Für dich... beste Mama und beste Frau! Dann umarmte und drückte er mich - was für eine Freude in diesem Moment! Henri kam aus dem Strahlen nicht mehr heraus ... Stolz, Dankbarkeit, Einssein mit sich und der Welt... bestimmt von allem etwas. Für mich heißt das Schlüsselwort Loslassen.
Danach wollte er unbedingt auch noch die Hausaufgabe fertig machen- er war nicht zu bremsen. Er will morgen unbedingt den ersten Teil seines Schulweges vorlesen (den zweiten schreibt er morgen) und ich bin fast sicher, dass sein Klassenlehrer ihn wieder nach vorne holt und er seine Hausaufgaben vorstellen darf. Was den sog. Förderunterricht betrifft, sind wir nach wie vor alles andere als zufrieden und kämpfen weiterhin darum, dass unserem Kind die gleichen Chancen zu lernen eingeräumt werden wie anderen Kindern. Andererseits bin ich sehr dankbar, wie viel Respekt und Wertschätzung Henri in der Klasse erfährt - sowohl von seinem Klassenlehrer als auch von den anderen Kindern.
11. Januar 2018
Henri allererste Textnachricht an mich. Und wer sagt, dass bei so vielen Fehlern das Üben eh keinen Sinn macht (und er stattdessen lieber malen, basteln oder kochen sollte) - der irrt. Der hätte heute erleben sollen, mit wie viel Freude er diese Nachrichten verschickt hat und ich bin sicher, es war nur der Anfang.
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Christine (Sonntag, 14 Januar 2018 22:42)
Diese Nacht durfte Henri bei uns übernachten. Er zeigt sich bei uns immer von seiner allerbesten Seite und wir genießen es alle sehr wenn Henri und Amelie bei uns sind. Nur einmal kam kurzer Unmut und Traurigkeit auf weil Jakob nicht mit ihm "Kämpfen" spielen wollte. Bei diesem Spiel wird Henri durch sein Korsett allerbestens geschützt und es macht es dem "Gegner" unmöglich anzugreifen ohne sich dabei selbst weh zu tun. Leider hatte Henri dafür kein Verständniss und wollte, wie es alle Jungs gerne tun, einfach mal raufen. � Nach ein paar Minuten war es aber schon wieder vergessen. Fahnestehen und Pippi Langstrumpf schauen stand auch auf dem Programm.
Christine (Montag, 15 Januar 2018 17:15)
Ach ja...... und sein neues Smartphone hatte er auch stolz dabei......und ich bin wirklich erstaunt wie gut er damit umgehen kann.
henri-mittendrin (Montag, 15 Januar 2018 23:31)
Liebe Christine, ganz herzlichen Dank... nicht nur für deine netten Blogeinträge, über die ich mich sehr gefreut habe. Sondern auch für das schöne Kurzwochenende, das ihr unseren Kleinen ;-) geschenkt habt. Es ist für Henri etwas ganz Besonderes und Wertvolles, wenn er bei euch, vielmehr Jakob, übernachten darf. Natürlich bekommt er mit, wie oft die große kleine Schwester auf Kindergeburtstage und Übernachtungspartys geht und auch sonst regelmäßig bei Freundinnen übernachtet... und er selbst fast nur bei Oma. Da ist er natürlich glücklich, wenn er nicht nur eingeladen, sondern auch "verwöhnt" wird. Amelie hat berichtet, dass man bei euch "voll verwöhnt" wird. Sie hat genau aufgezählt, was es alles zum Frühstück gab und schwärmte von der großen Auswahl �. Dass Henri mit seinem Korsett, rein kampftechnisch gesehen, sehr große Vorteile hat, sehe ich ein und kann Jakob natürlich verstehen, wenn er sich nicht auf einen Kampf einlassen mag. Aber Henri kann sicher damit umgehen - wie mit so vielem, was bei ihm eben anders ist, und er trotzdem hinnimmt. Das Smartphone war sicher ein gutes und sinnvolles Weihnachtsgeschenk - und er kann tatsächlich gut damit umgehen. Gestern hat er wieder "geappt", wie die Good immer sagt. Marie hatte eine Foto ihrer Deko in Tübingen in die Familiengruppe gestellt - Henri hat es entdeckt und völlig selbständig kommentiert "Liebe Marie ich finde schön �" Ist das nicht toll ? Liebe Grüße an euch alle!
Elke (Dienstag, 16 Januar 2018 17:18)
Hallo Doris,
ich bin ganz begeistert von Henris Nachricht. Ob mit oder ohne Fehler, das Üben hat sich gelohnt. Bei diesem Ergebnis (dein Verdienst) verstehe ich deinen Kampf umso mehr. Kämpf weiter!
henri-mittendrin (Mittwoch, 17 Januar 2018 11:10)
Hallo Elke, ich war auch begeistert - ganz besonders über die Eigeninitiative und die vollkommen selbständige Ausführung :-). Ja, ich kämpfe weiter - danke dir!