Als die Klassenfahrt der 6. Klasse _ Henris erste an der Waldorfschule- vor ein paar Wochen konkreter wurde, gab es für mich erst einmal ein paar Schreckmomente ... -tage vielmehr. Nachdem ich erfahren hatte, dass Henris Integrationshelferin aus familiären Gründen nicht mitfahren kann, habe ich seine Teilnahme erst einmal in Frage gestellt. Sicher könnte die Lebenshilfe eine Vertretung organisieren, aber würde Henri sie annehmen können? Ich habe mir den Kopf zerbrochen, wer an ihrer Stelle mitfahren könnte... Dann rief mich Henris Klassenlehrer an. Er berichtete mir vom Besuch von Inklusionsfachleuten an unserer Schule und auch in Henris und Amelie Klasse. Es hatte wohl mehrere Gespräche gegeben, wie man die Bedingungen für Inklusion verbessern könnte. Mir ist vor allem das Schlagwort Inklusion kann auch zur Exklusion führen... in Erinnerung. Jedenfalls fragte mich Herr R., ob ich mir vorstellen könne, dass Henri ganz ohne I-helferin mitfährt. Er selbst, mitfahrende Betreuer und auch die Mitschülerinnen und Mitschüler könnten Henri unterstützen, wenn er Hilfe bräuchte. Ich war erst einmal sprachlos und auch gerührt über diese Geste, die mir (trotz UN-Menschrenrechtskonvention) alles andere als selbstverständlich erschien. Dann habe ich über meine größten Bedenken gesprochen: Dass bei Henri - wie es auch zu Hause immer passiert - die Stimmung kippen könnte... dass er sich irgendwo hinsetzt und nicht mehr zum Weitergehen zu bewegen ist. Dass er damit schlimmstenfalls einen ganzen Tagesplan ins Wanken bringen könnte.
Er wolle es trotzdem wagen, sagte Herr R. und aufgrund der Möglichkeit, Henri im Notfall (und damit meine ich nicht einen medizinischen , sondern einen verhaltenstechnischen) abzuholen, hab ich zugesagt. Und war voller Freude und Dankbarkeit für so viel Vertrauen und Engagement. Man könnte argumentieren, dass es Henris gutes Recht ist, an der Klassenfahrt teilzunehmen - für mich war es dennoch eine großartige Geste und ich hoffte so sehr, dass alles gut geht... Abbruch und Abholen wären ein ganz schlechtes Signal.
Wir vereinbarten, dass Dirk die ersten beiden Tage mit dabei ist (was Henri zunächst vehement ablehnte) und Henri die folgenden Tage unter den Fittichen des Betreuerteams steht.
Es hat geklappt! Henri hat es geschafft und ich bin erleichtert, dass dieses Projekt gelungen ist! Ich bin stolz auf unseren Sohn, der die meiste Zeit "mitgelaufen" ist (natürlich nur mit Fahne ;-), sich wohlgefühlt hat und diese Normalität sicher genossen hat. Ich bin dankbar, dass die Betreuer in Momenten, wo das Böckchen um die Ecke kam, potentiell kritische Situationen mit Einfühlungsvermögen und Humor zur Stelle waren.
Davon musste ich heute mal berichten - man liest so viel von Grenzen der Inklusion.... dass es ja eine tolle Sache wäre, die Zeit aber noch da ist. Dass die Lehrerinnen und Lehrer es ja gern tun würden, sie aber nicht richtig vorbereitet sind. Dass ihnen die entsprechende Ausbildung fehlt, dass sie den Umgang mit Behinderten ja nie gelernt haben. Dass sie gar nicht die Kapazität haben, sich auch noch um behinderte Kinder zu kümmern.... Ihr kennt die Argumente derer, die Inklusion eigentlich gut finden (würden) ...
Bei Henris Klassenfahrt gab es keine Konjunktive - der Wille war da und das hat anscheinend genügt. So einfach ist (war) das. Danke!
13. und 14. März 2017
Die Fotos (Original Handyqualität ;-) sind an den beiden Tagen entstanden, an denen Dirk als Betreuer dabei war. Dass Henri oft etwas abseits steht, entspricht seinem Wesen. Ich werte es nicht als mangelnde Akzeptanz - er hatte dort ganz offensichtlich die Rolle, wie sie uns auch zu Hause vertraut ist. Henri macht gerne "sein eigenes Ding" und ist auch bei unseren Familienspaziergängen meist einige Meter hinter uns. Er braucht viel Zeit, die er (mit Fahne oder Lineal) in seiner eigenen Welt verbringen darf.
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