Vor ein paar Wochen habe ich es öffentlich gemacht: Henri wird ab September die Waldorfschule Bexbach besuchen - die Schule, die auch seine Geschwister besuchen, bzw. besucht haben, Marie hat ja schon vergangenes Jahr Abitur gemacht. Henri hat dort den Waldorfkindergarten besucht - ich komme immer noch ins Schwärmen, wenn ich an diese Zeit zurückdenke.
Nun kehrt er gewissermaßen zurück - als erstes Kind mit geistiger Behinderung. Es wird eine neue Herausforderung für uns alle werden - Schulgemeinschaft, Klassenlehrer und wir Eltern mit und für Henri. Alle sind bereit und wir freuen uns auf den gemeinsamen Weg. Nur eine(s) fehlt noch: Eine Integrationshelferin.
In Kürze eine kleine Einführung für diejenigen, die selbst keine behinderten Kinder haben und von denen ich manchmal gefragt werde, wie "das denn geht in einer ganz normalen Schule". Zunächst: Behinderte Kinder werden zieldifferent unterrichtet, das heißt sie haben nicht den gleichen Lehrplan wie die anderen Kinder. Diesem Prinzip folgt die Montessorischule auch ganz unabhängig von Behinderung - deshalb waren und sind wir dankbar, dass Henri einen großen Teil seiner Grundschulzeit an einer Montessorischule verbringen konnte.
Aber auch bei Waldorfs wird Henri seinen eigenen Lehrplan haben - der Lehrplan heißt in diesem Falle Förderplan und orientiert sich an Henris Entwicklungsmöglichkeiten, also dem, was er zu erreichen vermag. An Fächern wie Musik, Religion und Eurythmie wird er wohl teilnehmen wie alle anderen auch. Im Lesen, Schreiben und Rechnen wird er mit eigenen Lern- und Arbeitsmaterialien dort weitermachen, wo er am Ende des letzten Grundschuljahres steht. Beim Lesen und Schreiben ist er (je nachdem) auf dem Niveau eines Erst- manchmal Zweitklässlers - Rechnen ist für Henri dagegen ungleich schwieriger.
Wenn auch die schulischen und beruflichen Perspektiven für ein Kind mit DS heute viel besser sind als zu meiner Schulzeit, so kann man sich denken, dass es (in der Regel jedenfalls) nicht so selbständig lernen und arbeiten kann wie andere Kinder seines Alters. Henri hat eine sehr gute Arbeitshaltung und Disziplin - darauf sind wir alle (Klassenlehrerin, Integrationshelferin, Eltern und Geschwister) auch ein bisschen stolz. Aber er braucht Unterstützung und Anleitung dabei, was und wie er etwas tun soll. Und hier kommt die Integrationshelferin zum Einsatz - sie begleitet und unterstützt ihn täglich von Schulbeginn bis zum Schulschluss. Nicht nur beim Lernen, sondern auch bei Alltagstätigkeiten, für die andere Kinder keiner Hilfe bedürfen: Beim Raumwechsel innerhalb der Schule, beim gemeinsamen Frühstück und Mittagessen, beim Toilettengang, in der Pause... Natürlich ist sie nicht immer direkt an seiner Seite - manchmal ist es gut und insbesondere für die Entwicklung zur Selbständigkeit notwendig, wenn sie sich beobachtend im Hintergrund hält. Vielleicht kann man es sich so vorstellen, wie wenn man mit einem Vorschulkind zu Hause ist. Diese Kinder sind in vielen Bereichen schon selbständig - trotzdem könnte man sie nicht alleine lassen, weil ihnen Weitsicht und Gefahrenbewusstsein eines älteren Kindes fehlen.
Bedingt durch den Schulwechsel an die Montessori-Grundschule nach dem zweiten Schuljahr hatte Henri bisher drei Integrationshelferinnen. Gestern hat mich jemand gefragt, worauf es bei dieser Tätigkeit ankommt: Das Wichtigste ist wohl, dass die Helferin dem Kind offen und wertschätzend zugewandt ist - noch besser ist es natürlich, wenn sie unseren Goldschatz gern hat ... Das war bisher Gott sei Dank immer der Fall :-) Wenn es auch immer wieder Stunden oder Tage gibt, wo das Böckchen kaum zu vertreiben ist - wenn die Beziehung zwischen den beiden stimmt, ist alles gut😊!
Zum Schluss noch das Formale: Für die Tätigkeit einer Integrationshelferin bedarf es keiner speziellen Ausbildung - wenn auch viele aus einem medizinischen oder pädagogischen Beruf kommen. Integrationshelferinnen sind in der Regel bei einem freien Träger, wie z.B. der Lebenshilfe, angestellt und werden von diesem auch bezahlt. Allein das monatliche Gehalt wird jedoch kaum als Motivation für diese Tätigkeit taugen. Die wertvolle Arbeit der Integrationshelferinnen leider nicht entsprechend vergütet - wie viele Dienstleistungen im sozialen Bereich.
Vielleicht liest hier ja jemand aus der näheren Umgebung mit, die sich vorstellen könnte, unseren Henri die nächsten Jahre zu begleiten? Dann würden wir uns über eine Nachricht freuen!
Juni 2011: Liebevolle Begleitung in der zweiten Klasse Grundschule - Henri mit Integrationshelferin Heike
Sonnenhenri am 4. Juni 2015
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